Der Mensch im Mittelpunkt

In unserer heutigen Team-Besprechung bei OHRBEIT haben wir darüber geredet, wie albern es ist, als Wirtschaftsunternehmen auf die eigene Homepage oder Stellenanzeige zu schreiben: "Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt."

Wir lesen solche Phrasen ständig, aber denken uns nicht viel dabei.

Marketing-Sprech halt... aber was steht eigentlich im Mittelpunkt, wenn nicht der Mensch?

Wir ahnen es.

Wenn man sich genötigt sieht, extra zu erwähnen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht... das ist in etwa so wie wenn man beim ersten Date gesagt vom Gegenüber gesagt bekommt: Mir ist wichtig, dass du weißt, dass es mir nicht um dein Geld geht.

 

"Der Mensch im Mittelpunkt"  - wo denn sonst?

 

Ein Mensch steht morgens auf.

Ein vernunftbegabter Mensch, der versucht das Richtige zu tun, auf andere Rücksicht zu nehmen und mit seinen Mitmenschen ein gutes Leben zu führen.

Dieser Mensch macht liebevoll Frühstück für die Familie, macht sich fertig für den Tag und küsst seinen Lieblingsmenschen als sie zusammen das Haus verlassen.

Nachdem der Mensch die Kinder in die Schule gebracht hat und noch ein paar nette Worte mit einem anderen Menschen auf dem Arbeitsweg gewechselt hat fährt er/sie in die Firma.

Der Mensch nimmt den Aufzug an seinen Arbeitsplatz, begrüßt die Kolleg:innen, hängt die Jacke an den Kleiderhaken und setzt sich an den Arbeitsplatz.

Nun folgt dieser vernunftbegabte Mensch einer anderen Logik als bis zu diesem Zeitpunkt des Tages.

Nun folgt er einer „ökonomischen Vernunft“.

Er verlangt mehr Geld als er eigentlich müsste, er drückt Zulieferer um jeden Cent, er verkauft die schlechtere Lösung an Kund:innen, weil sie seiner eigenen Firma mehr Geld bringt.

Er verkauft anderen Menschen Dinge von denen sie weiß, dass sie sie eigentlich nicht brauchen.

Er kooperiert mit Zulieferbetrieben, die die Menschenrechte nicht achten.

Er fährt die Ellenbogen aus, er übertrumpft andere Menschen im Meeting und klaut Ihnen ihre Ideen, er arbeitet mit Druck gegenüber säumigen Zahler:innen, er spielt Machtspielchen - er befindet sich in einem Wettbewerb, der seiner eigenen Logik folgt.

 

Und dann:

 

Abends zieht der Mensch wieder seine Jacke an, verabschiedet sich von den Kolleg:innen und fährt als vernunftbegabter Mensch nach Hause.

Um mit seinen Kindern Zeit zu verbringen, ihnen etwas vorzulesen und beizubringen Gutes von Schlechtem zu unterschieden.

Er küsst die Kinder als er sie ins Bett bringt.

Er ist ein Mensch, der seine eigenen ethischen Wertvorstellungen wie eine Jacke am Eingang seiner beruflichen Tätigkeit in der Wirtschaft abgegeben hat.

Zugegeben: Ein Extrembeispiel, aber wer fühlt sich ein bisschen ertappt?

 

Der Mensch im Mittelpunkt oder dieses wilde, entfesselte Tier namens Ökonomie

 

Dieses wilde, entfesselte Tier namens Ökonomie, welches ganz eigenen Regeln folgt, ist nicht zähmbar für uns arme Menschlein.

Wir können noch so vernünftig sein, wir müssen uns dieser Logik beugen.

Das machen alle so. Sonst „verlieren“ wir in diesem globalen Game. Wir betreten eine ganz eigene Welt mit eigenen Gesetzen.

Diese zwei Welten-Theorie von ökonomischer Rationalität einerseits und ethischer Vernunft andererseits wird uns als „natürlich“ verkauft.

Sie ist – wie unser komplettes Wirtschaftssystem – von Menschen geschaffen. Diese konstruktivistische Idee erklärt Yuval Noah Harari an einem Beispiel in seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“.

An das Gute im Menschen glauben und die Wirtschaftsmoral nicht von der normalen Bürger:innen-Verrnunft abkoppeln?

Klingt nach ner krass abgefahrenen Idee von nem Typen der in den Bergen wohnt.

Was kommt jetzt noch? Bedingungsloses Grundeinkommen?

Genau. Diese Idee stammt von Peter aus der Schweiz und er ist auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Seine Argumentation ist eigentlich bestechend einfach: Es gibt keine „zwei Welten“.

Jeder Mensch, der die Wirtschaftsphäre als eigenständig und abgekoppelt von der restlichen Welt sieht, der ist seiner Meinung nach einfach (wirtschafts-)gläubig. Er nennt das krypto-religiös.

Seiner Meinung nach muss der Mensch erstmal die ökonomistische Ideologie durchschauen, bevor er sich an seinen eigenen Prinzipien und nicht an vorgegebenen Zielen orientiert – Peter Ulrich sieht das Streben nach dem Maximum als Grundproblem des Wirtschaftens:


„Das Maximierungsdenken ist der
Kern des Problems, nicht die Lösung.
Gewinnmaximierung als Prinzip heisst ja, dass man ihr sämtliche lebenspraktischen
Folgen für die natürliche Umwelt, die soziale Mitwelt oder die psychische Innenwelt aller betroffenen Menschen unbesehen unterordnet.“

 

In dieser Idee der integrativen Wirtschaftsethik wird beim wirtschaftlichen Handeln die Frage gestellt, ob es gegenüber allen Beteiligten legitimierbar – verkürzt einfach gut & fair – ist.

 

Das ist die Grundfrage der Ethik: Was ist gutes Handeln?

 

In unserem Kontext zum Beispiel: Was sind vertretbare Preise für unsere Produkte?

Den Menschen in der Wirtschaft die gleichen Prinzipien abzuverlangen, denen sie auch in ihrem normalen Leben folgen, sollte eigentlich nicht so schwer sein, vor allem wenn ja überall und immer "der Mensch im Mittelpunkt" steht.

Also nicht der Mensch, der ab-casht, sondern jeder Mensch.

Jede/r kann sich diese Frage stellen:
Haben meine eigenen Moralvorstellungen und mein Agieren in einem wirtschaftlichen Kontext miteinander zu tun oder sind das zwei separate Welten?

Also einfach gesprochen: Gebe ich meine Jacke am Eingang der Wirtschaftswelt ab oder nicht?

 

Hier geht es zu Teil 1 unserer Serie Wirtschaft und Moral und hier zu Teil 2: Gewinne maximieren.

(Bildquelle: Public Domain DALL-E-2 („two face girl, award winning art, studio lighting, digital art, 8k, extremely detailed, spark spraying, particular“)

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