Die Digitalisierung brummt und lärmt, ziept und knirscht an allen Ecken und Enden und verändert die (Arbeits-)Welt, in der wir leben.
Wenn wir mal unsere Jobcasts quer-hören, dann fällt das buzzword ‚Digitalisierung‘ mindestens genauso oft wie Alex „Hallo, hallo…“ sagt.
Auch wenn die Pandemie schlimm war und für viele Menschen nach wie vor negative Auswirkungen hat: Die Corona-Krise hat der Digitalisierung der Arbeitswelt einen ordentlichen Schub gegeben.
Dabei dürfen wir nicht vergessen: Deutschland ist bereits seit langem Vorreiter der Digitalisierung.
Immerhin hatten wir bereits 1981 auf der Platte Glasfaser flächendeckend auszubauen. Das wurde zwar nicht gemacht, aber dafür gabs eine lange Birnenzeit. Ist doch eh gesünder als Digitalisierung – lecker Obst für alle.
Aber wir wollen nicht ranten… immerhin schrieb im Jahr 2008 bereits eine deutsche Regierung in ihren Koalitionsvertrag: „Deutschland braucht einen umfassenden digitalen Aufbruch.“
Ok das hast du gerade geglaubt? Reingefallen… dieser schläfrige Satz, der nach Nullerjahren und Elon Musk mit Stirnglatze klingt, stammt aus dem aktuellen Koalitionsvertrag von 2021… aber zurück dorthin, wo die Digitalisierung wirklich im Gange ist, zurück in die Wirtschaft.
Wovon reden wir eigentlich, wenn wir von Digitalisierung sprechen?
Was ist eigentlich Digitalisierung ganz konkret? Geht es nur um Technologien oder sind da Menschen mit involviert?
Es ist wie immer mit Schlagworten: Alle benutzen sie, aber kaum jemand weiß konkret was gemeint ist. Digitalisierung ist also ein buzzword, ein Versprechen, aber meistens bleibt es schrecklich unkonkret. Ein diffuser Begriff.
Wir verstehen unter Digitalisierung gesellschaftliche Veränderungen, die in irgendeiner Form in Zusammenhang mit technischer Entwicklung stehen. Arbeitsprozesse werden digitalisiert, zum Beispiel in der Buchhaltung, was wirklich ein Segen ist.
Runtergebrochen kann man sagen: Analoge Prozesse werden zu digitalen Prozessen - aus einer Platte wird eine CD wird eine MP3 – mit allen positiven und negativen Folgen.
Dadurch, dass dieses Ding namens Digitalisierung überall ist, wechselt es sich in der Wahrnehmung zwischen großer Hoffnung und Schreckgespenst ab.
Alle wollen eine digitalisierte Verwaltung und schnelle Prozesse im Bürger*innenamt, keiner will seinen Job verlieren, weil es keine Ordner mehr zu sortieren gibt.
Alle wollen bequem arbeiten, keiner möchte digital überwacht und von Programmen zu mehr Produktivität genötigt werden.
Daher sind Menschen in Firmen auch polarisiert: Die einen sind ganz wild auf Neuerungen, andere haben Angst den Job zu verlieren.
Wie kann man nun als Führungskraft (z.B. im Human Resources) mit diesem Thema umgehen? Braucht es wirklich komplett neue Kompetenzen, wie es Beratungen aus dem Bereich „digital leadership“ kommunizieren oder kann man damit als Beratung einfach gerade gut Aufträge einsacken und Geld verdienen?
Hier ein spannendes Experiment: Frag deine Führungskraft doch einfach mal, was sie unter Digitalisierung konkret versteht! Falls du Führungskraft bist, dann frag dich selbst und mach es bitte konkret!
Leadership ist nicht digital - 'Digital leadership' ist eine Worthülse
Als Führungskraft ist es wichtig den Menschen Orientierung zu geben in Bezug auf die gesetzten Ziele und zu merken, wo diese gerade stehen oder wo es Unterstützung braucht.
Wenn sich ein Mensch unwohl fühlt und dadurch sein Potential im Job nicht abrufen kann, dann muss eine Führungskraft unterstützen. Dabei spielt die Digitalisierung erstmal keine Rolle, außer vielleicht in dem Sinne, dass der direkte menschliche Kontakt erschwert wird, wenn viel aus dem Home Office gearbeitet wird.
Die Digitalisierung ist also vielmehr eine soziale Herausforderung für alle Menschen - gerade auch für Führungskräfte, denn Leadership ist nicht digital.
Daher sollte die Perspektive auf zwischenmenschliche Prozesse gelegt werden.
Es geht um das „Wie“ nicht um das „Was“ in einem Veränderungsprozess.
Haben die Menschen Freude an der Arbeit und verrichten sie gerne ihren Job?
Was fehlt Menschen, die sich „nur“ digital begegnen oder die nur noch Kontakt auf digitalen bords haben? Was passiert im Team wenn jede/r kleine Teilaufgaben abarbeitet, aber keine Treffen mehr stattfinden für informellen Austausch?
Diesen Fragen muss sich eine Führungskraft stellen, aber dafür braucht es die Worthülse digital leadership nicht.
Digitale Fähigkeit ist eine Fähigkeit unter anderen
Führungskräfte müssen eine Art Übersetzungsarbeit leisten, ohne den Fokus rein auf eine digitale Ausrichtung zu legen.
Digitale Expertise ist wichtig, aber sie ist eine Fähigkeit unter anderen Fähigkeiten. Es geht darum die digitalen Möglichkeiten einzubinden und nicht um „alles oder nichts“.
Ansonsten ist der Mensch wieder für die Digitalisierung da (genauso wie für den Markt) und ordnet sich unter, anstatt die Gegebenheiten für sich und sein Wohlergehen zu nutzen.
Digitalisierung sollte kein Selbstzweck sein, sondern den Menschen dienen.
Oft wird der digitalen Expertise alles untergeordnet, was schlicht falsch ist. Wenn es ans Eingemachte geht, dann wird es immer um persönliche menschliche Kommunikation gehen.
Ab auf die Meta-Ebene
Viel wichtiger ist von der Operationsebene auf die Meta-Ebene zu kommen.
Der Umbruch durch die stattfindende Digitalisierung ist eine Tatsache. Aber was passiert auf der zwischenmenschlichen Ebene?
Gefühle auszudrücken, Unsicherheit zu kultivieren und sich oder seine Gegenüber zu fragen: Was passiert gerade zwischen uns? Verstehe ich dich da gerade richtig? Ich habe den Eindruck es geht um das Thema XY, habe ich das richtig verstanden?
In zwischenmenschlichen Prozessen auf die Meta-Ebene blicken zu können und sich dabei selbst zu reflektieren, macht gute Führung aus – egal ob analog oder digital.
Es sind keine neuen Fähigkeiten erforderlich
Natürlich folgen digitale Meetings neuen Regeln. Dafür braucht es ein Verständnis, welches auch die Technik miteinbezieht.
Aber vor allem braucht es psychologische Kompetenz und ein Gespür für die Notwendigkeiten, wenn „Führen in Distanz“ gelingen soll.
Menschen sollen zwar selbstverantwortlich arbeiten, aber sie sollen sich nicht selbst überlassen werden (außer sie wünschen das).
Es erfordert gerade mehr Menschlichkeit, wenn die Digitalisierung menschlichen Kontakt unterbindet oder verringert.
Fähigkeiten wie (Selbst-)Reflexion, Empathie, Verantwortungsübernahme und Kreativität sind nach wie vor elementar. Führung braucht Verantwortungsübernahme, das beinhaltet die Möglichkeit des Scheiterns.
Digitalisierung ist vor allem eine soziale (statt technische) Aufgabe.
Bei Führung in der digitalisierten Welt kommt es auf die sozialpsychologischen Fähigkeiten und weniger auf digitale Fertigkeiten an.
Eine Führungskraft muss entscheiden ohne zu wissen, ob es im Nachhinein richtig ist und die Verantwortung für ihre getroffenen Entscheidungen übernehmen.
Analog oder digital ist dabei egal.